Ja, ich habe jemanden kennengelernt.
‚Hast du jemanden kennengelernt?’
... das wird Julius mich fragen. Verdammt, was soll ich ihm nur sagen? Wenn er ein Schwein wäre oder ein Arsch, dann wäre die Antwort ganz einfach. Aber das ist er nicht. Ganz im Gegenteil. Er wird mir in die Augen schauen, ganz tief, mit diesem leicht traurigen Blick. Er wird ganz ruhig sein, seine Stimme sanft, kaum zu hören... das Brummen des Kühlschranks dagegen laut wie ein Düsenjet.
‚Ja, ich habe jemanden kennengelernt...’
Oh mein Gott! Das kann ich ihm nicht antun! Ich meine, es ist wahr, aber... ich fühle mich schrecklich. Ich habe mich in jemanden verliebt und fühle mich gleichzeitig im 7. Himmel und abgrundtief widerlich. Ich will es in die Nacht herausschreien, wie glücklich ich bin und danach vor einen Zug springen. Ich will die Schmetterlinge im Klo runterspülen und Nonne werden für den Rest meines treulosen Daseins. Am meisten aber will ich zurück zu Max, dem Mann den ich gerade kennengelernt und erst vor 5 Minuten am U‑Bahnhof verabschiedet habe... Es fühlt sich an wie ein Gummiband, das sich mit jedem Meter mehr zwischen uns spannt. Soll ich es zerschneiden, oder einfach schnipsen lassen und Max zum 472. Mal heute küssen?
Ich könnte Julius natürlich belügen, aber was hätte das für einen Sinn? Die Beziehung ist vorbei, glaube ich. Es scheint zumindest so, wenn man ununterbrochen an einen Anderen denkt.
‚Hast du jemanden kennengelernt?’ — das wird Julius mich nachher fragen. Ich werde ihm die Wahrheit sagen. Und sein Herz brechen.